Klassifizierung nach DMS

 

Früher wurden zumeist psychosoziale und pädagogische Umweltfaktoren als Verursacher von ADHS angenommen. Erziehungsfehler, Elternproblematik, Vernachlässigung und frühkindliche Traumata standen im Mittelpunkt möglicher Begründungen und Beeinflussungen der Störung. Mittlerweile (Stand 2016) geht man von Vorstellungen aus, die sowohl biologische Faktoren als auch Umwelteinflüsse berücksichtigen.

Neurobiologie

Gehirn

Eine Verminderung des Gehirnvolumens und funktionelle Defizite sind bei einer Vielzahl von Kerngebieten immer wieder festgestellt worden. In den letzten Jahren (Stand Januar 2016) konzentrierte sich die Forschung insbesondere auf die Veränderungen großräumiger neuronaler Netzwerke, die den beobachteten Störungen der Patienten und den beobachteten Unterfunktionen im Gehirn entsprechen. Die Forschung zur Herausbildung der Abweichungen während der Entwicklung des Gehirns in verschiedenen Lebensaltern befindet sich noch (Stand Januar 2016) in einer frühen Anfangsphase.

Nervenzellen

Die Leitungsbahnen der Nervenfasern im Gehirn (weiße Substanz) zeigen im Gruppenvergleich zwischen von ADHS Betroffenen und Vergleichspersonen anatomische und funktionelle Abweichungen. Seit 2014 wurde zusätzlich festgestellt, dass diese Abweichungen zum Teil spezifisch für bestimmte Teilsymptome sind, wie Aufmerksamkeitsdefizit oder Hyperaktivität. Eine Anwendung dieser neuen Untersuchungsmethoden zur Diagnose ist allerdings auf absehbare Zeit (Stand Januar 2016) nicht zu erwarten, da die Unterschiede der Gehirne von Person zu Person so groß sind, dass signifikante Abweichungen nur zwischen Personengruppen – nicht aber bei Einzelpersonen – feststellbar sind.

Signalübertragung

Die Weiterleitung von Signalen zwischen Nervenzellen durch biochemische Botenstoffe (Neurotransmitter) ist bei ADHS beeinträchtigt. Dies gilt insbesondere für die Übertragung durch Dopamin in den Zentren für Belohnung und Motivation, nämlich im Nucleus accumbens, Nucleus caudatus und in bestimmten Kerngebieten des Mittelhirns. Die langjährige Vermutung, dass auch Signalübertragungen durch den Neurotransmitter Noradrenalin beeinträchtigt sind, ist durch die Wirkung neuerer, sehr spezifischer Medikamente wie Guanfacin zwar stark gestützt worden, konnte jedoch bislang (Stand Januar 2016) noch nicht abschließend bewiesen werden.

Seit 2014 gibt es direkte Nachweise, dass bei ADHS auch spezifische Teile der Signalübertragung durch den Neurotransmitter Glutamat nur in verminderter Funktion ablaufen, insbesondere im Striatum, einer Gehirnregion mit zentraler Bedeutung für Motivation, Emotion, Kognition und Bewegungsverhalten. Mehrere genetische Studien nach 2000 hatten bei von ADHS Betroffenen und ihren Familien Abweichungen in Genen festgestellt, die für Elemente der glutamatergen Signalübertragung kodieren. Schließlich wurde Glutamat von einigen Forschern sogar als möglicher Schlüssel zum Verständnis von ADHS angesehen, insbesondere wegen seiner engen Kopplung mit den genannten Dopamin-Systemen. Durch bildgebende Verfahren des ZNS wurden dann relativ schnell entsprechende Glutamat-Unterfunktionen nachgewiesen.

Genetik

Erblichkeit

Auf der Grundlage von Familien- und Zwillingsstudien wird die Erblichkeit für das Risiko, als Kind von ADHS betroffen zu sein, auf 70 bis 80 % geschätzt. Die Erblichkeit für das Risiko, als Erwachsener betroffen zu sein, konnte noch nicht (Stand Januar 2016) zuverlässig abgeschätzt werden, da hier die methodischen Schwierigkeiten bei der Erfassung größer sind. Die Tendenz deutet jedoch darauf hin, dass hier die Erblichkeit des Risikos ebenso hoch ist wie für Kinder.

Gene

Es besteht Einigkeit bezüglich der Notwendigkeit mehrerer genetischer Abweichungen, da einzelne Gene sehr spezielle Einflüsse haben und keines allein eine derart vielfältige Verhaltensabweichung wie bei ADHS bewirken kann. Es wird angenommen, dass mindestens 14 bis 15 Gene für die Ausbildung der ADHS von Bedeutung sind. Die genetischen Besonderheiten nehmen Einfluss auf die Neurophysiologie und -chemie in spezifischen Regelkreisen des Gehirns, z. B. zwischen Frontalhirn und Striatum (siehe striato-frontale Dysfunktion). Auch wenn sich dabei zunächst nach außen hin keine Veränderungen zeigen, kann eine grundsätzliche Veranlagung vorliegen, die durch weitere Umstände später dennoch zu Störungen wie ADHS führen kann.

Die genetischen Abweichungen, die bislang mit ADHS in Verbindung gebracht wurden, sind – jede für sich allein betrachtet – nicht spezifisch für ADHS. Sie können – in Kombination mit bestimmten Varianten bei anderen Genen – auch andere verwandte oder nicht verwandte Krankheiten auslösen. Daraus folgt, dass das bisherige Wissen (Stand Januar 2016) keine Vorhersagen durch genetische Tests bei einer Einzelperson ermöglicht. Bei der Diagnose kann in dieser Hinsicht nicht mehr getan werden, als ein etwaiges Auftreten von ADHS bei nahen Verwandten zu berücksichtigen. Dies jedoch wird im Sinne von rechtzeitigen Diagnosen und Behandlungen dringend empfohlen.

Schadstoffe

Tabakrauch

Ein kausaler Zusammenhang zwischen einem erhöhten Risiko für ADHS durch Tabakrauchen während der Schwangerschaft (sowie Passivrauchen während der Kindheit) konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Dies hat methodische Gründe: Es können einfach zu viele, nicht ausschließbare, dritte Faktoren beteiligt sein. Eine hohe Wahrscheinlichkeit eines erhöhten Risikos ist jedoch unstrittig.

Blei

Es gibt einen statistischen Zusammenhang zwischen der Exposition mit dem Schwermetall Blei und dem Auftreten von ADHS, allerdings ist bislang kein kausaler Zusammenhang erwiesen.

PCB

Gleichfalls Polychlorierte Biphenyle (PCB), die zwar inzwischen weltweit verboten, aber als Altlasten noch nahezu überall verbreitet sind, erhöhen das Risiko für ADHS.

Soziales Umfeld

Belastende Familienverhältnisse treten häufiger in Familien auf, in denen ein Kind von ADHS betroffen ist. Hierbei ist jedoch nicht feststellbar, ob die Familienverhältnisse sich auf die Auslösung oder den Schweregrad von ADHS ausgewirkt haben. Umgekehrt kann auch ADHS belastende Familienverhältnisse erst herbeiführen oder verschärfen, und es zeigte sich, dass Diagnose und Behandlung zur Abnahme von Feindseligkeiten innerhalb der Familie führten.

Allgemeine Risikofaktoren

Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, ein erniedrigtes Geburtsgewicht, Infektionen, verschiedene Schadstoffe sowie Erkrankungen oder Verletzungen des zentralen Nervensystems gelten als Risikofaktoren; ebenso während der Schwangerschaft stattfindende Belastungen mit Alkohol.

Quelle Wikkipedia

 

 

 

 

 

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